Die Sache mit dem Glück by Hedaya Yael

Die Sache mit dem Glück by Hedaya Yael

Autor:Hedaya, Yael [Hedaya, Yael]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 978-3-257-60377-4
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2015-01-11T16:00:00+00:00


[84] 23

Der Kinneret-See war, wie immer an Pessach,* [* Pessach: jüdisches Fest, das an den Auszug aus Ägypten erinnert.] überlaufen; aber diesmal regnete es auch noch, und Matti, dem die Vorstellung, im Schlafsack zu übernachten, sowieso zuwider war, stieg ins Auto und verkündete, wir würden abreisen. Die Kinder schliefen, mit Handtüchern zugedeckt, weil es uns zu dieser Jahreszeit nie eingefallen wäre, Jacken mitzunehmen, und Matti, der durch den sintflutartigen Regen und die Dunkelheit raste und dabei unaufhörlich fluchte, wußte plötzlich nicht mehr, wie es nach Hause ging.

»Was ist los mit dir?« schrie ich.

»Nichts! Was willst du von mir?«

»Ich verstehe nicht, was plötzlich in dich gefahren ist!« schrie ich, weil es ihm zum ersten Mal gelungen war, mir richtig Angst zu machen. »Was ist mit dir, Matti, geht’s dir nicht gut?«

»Mir geht es bestens«, antwortete er, aber als wir dann auf einem Feldweg landeten, das Auto im Schlamm steckenblieb und die Kinder aufwachten – erst waren sie durchdrungen von Abenteuerlust, dann erschrocken –, bestimmte ich: »Es reicht! Laß mich fahren!«

[85] »Warum?« fragte er. »Meinst du, du kennst den Weg besser?»

Die Räder suchten verzweifelt nach Halt, aber Matti setzte uns nur noch tiefer in den Schlamm.

»Ich kann wenigstens gut sehen. Ich kann Schilder lesen. Du kannst nicht gut sehen. Gestern abend hast du über Probleme mit den Augen geklagt.«

»Ich sehe bestens.«

»Aber was soll das? Wieso bist du so stur, Matti? Willst du uns alle umbringen?«

Und weit und breit war kein Mensch, den man hätte um Hilfe bitten können. Es war dunkel und kalt und gottverlassen, und der Regen prasselte auf das Dach, und die Kinder fingen an zu weinen, und mir war klar: Wir sind so gut wie geliefert.

Und da packte er sich jäh mit den Händen am Kopf und fing an zu zittern: »Mir ist schwindlig, mir geht’s nicht gut.« Und als ich fragte: »Siehst du jetzt, was ich meine?«, verlor er das Bewußtsein.

Ich war gefangen in einem eiskalten Wagen, der auf einem einsamen Feldweg im Schlamm steckte, mit zwei kleinen, verängstigten Kindern und einem bewußtlosen Mann, dessen Kopf gegen das beschlagene Seitenfenster lehnte, der Sicherheitsgurt schnürte ihm die Kehle ab, und ich hatte einen Mordshaß auf ihn.

[86] Ich brüllte ihn an, er solle aufwachen, und er rieb seinen Kopf an dem feuchten Fenster, öffnete kurz die Augen, um sie gleich wieder zu schließen, und brummelte: »Mir geht’s nicht gut.«

»Matti!« schrie ich. »Wach doch wieder auf! Wir fahren gleich ins Krankenhaus, aber erst mußt du zu dir kommen!«

Und er öffnete abermals die Augen – in der Dunkelheit konnte ich nur das Weiße sehen – und sagte: »Mir ist übel«, und die Kinder versuchten, über die Sitze zu mir nach vorne zu klettern, und Schachar streckte mir in heller Panik seine Arme entgegen.

»Matti«, flüsterte ich und tätschelte ihm die Wangen. Dann brüllte ich: »Wach auf! Komm zu dir!«

Ich stieg aus dem Auto, öffnete die Fahrertür, löste den Sicherheitsgurt und versuchte, Matti auf den Beifahrersitz zu schieben, aber er war schwer und rührte sich nicht, und ich verpaßte ihm eine Ohrfeige, weil –



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